Oskar Holweck: 7 VIII 82, 1982, 500 Blatt SM-Papier, gerissen, 50 x 70 x 21,5 cm

Oskar Holweck







Im Geheimnis des Papiers
Ordnung und Wahrhaftigkeit: Zum Tod von Oskar Holweck

Sein Medium war das Papier. Ein gelegentlich sperriges und manchmal schwer beherrschbares Material, wie er einmal sagte. Das hinderte ihn nicht daran, an diesem Material ein Künstlerleben lang festzuhalten. Diese Treue und Beständigkeit zeichnete ihn aus. Allen Verlockungen des Kunstbetriebes widerstand er. Ehrungen nahm er nur widerstrebend an, und sein Wohnort blieb sein Geburtsort, St. Ingbert bei Saarbrücken. Oskar Holweck gehörte zu den ersten deutschen Avantgardisten aus eigenem Recht nach dem Kriege. Er stellte früh mit der Gruppe "Zero" aus, lehnte aber eine Einladung zur ersten Documenta ab.
Als Lehrer an der Fachhochschule in Saarbrücken im Bereich Grundlehre und Design hat Oskar Holweck Generationen von Schülern ausgebildet. Er führte sie an seinen Begriff der Ordnung und der Wahrhaftigkeit dem Material und der künstlerischen Idee gegenüber heran. Seine frühesten Tuschezeichnungen aus den fünfziger Jahren sind geprägt vom Informel, zeigen die Beeinflussung durch die Pariser Lehrjahre, sie beeindrucken aber gleichzeitig durch ihre fast konstruktiv-rationale Binnenstruktur. Senkrecht verlaufende Tuschelinien sind parallel nebeneinander gesetzt, und die damals beliebten Spritzer, die durch das Aufschlagen des Pinsels auf das Papier entstanden, sind bei Holweck früh als serielle Ordnungen erkennbar.
Erst seine Hinwendung zum einen Papier als einzigem Material machte aus Holweck den signifikanten Künstler: Papier wird gerissen, gestaucht, gefaltet, zerknüllt oder aufgefächert, als habe man ein unbedrucktes Buch vor sich, bei dem die Seiten an den Buchrücken zurück gebogen worden sind. Holweck hat sich aus der Fläche, in der er zunächst Rissspuren angebracht hat, in den Raum entwickelt. Seine Papierskulpturen nehmen mit den Jahren immer kompliziertere Strukturen an. Dabei sind die formalen Grunddispositionen sehr elementar. Holweck war allem Aufgesetzten hold, ließ sich auch durch den Erfolg, der früh einsetzte, nie dazu verleiten, seine Arbeiten zu überfrachten, um sie auf dem Markt attraktiver zu machen. So wie er dem Betrieb misstraute, war er seiner eigenen Arbeit gegenüber außerordentlich kritisch. Es kam ihm nicht darauf an, zu produzieren, sondern er verfolgte einen Forschungsprozess.
Holweck gehört in der deutschen Kunstlandschaft zu den wenigen Einzelgängern. Das umfangreiche Werk ist in der relativen Abgeschiedenheit der Saarbrücker Hochschule über Jahrzehnte entstanden und hat sich mit einer im Rückblick fast mathematischen Präzision entwickelt. Es gab keine Brüche und keine Krisen, die am Werk ablesbar wären. Aber es gab auch keine spektakulären Erfindungen oder Impulse, die nach außen gewirkt hätten oder eine Schule hätten begründen können. Das macht aber die enorme und beeindruckende Dichte und Homogenität dieses Werkes aus. Papier beinhalte ein ästhetisches Geheimnis, hat Holweck einmal auf die Frage geantwortet, warum er ausschließlich an diesem Material festhalte. Es sei letztlich wie bei einem Steinbildhauer, man müsse die am Material innewohnende ästhetische Struktur befreien und in einem Kunstwerk festhalten. Oskar Holweck ist, wie erst jetzt bekannt wurde, bereits am 30. Januar in Saarbrücken gestorben.

Hans-Peter Riese
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. Februar 2007

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